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Hier begegnen sich nicht nur die Werke dreier Künstler:innen, sondern auch die damit einhergehenden diversen Les- und Deutungsweisen. In den Berührungen der unterschiedlichen Kunstwerke und deren Kosmos ist Raum für neue Assoziationsketten. Jede Linie, jede Falte ist ein gemeinsamer Möglichkeitsraum – ein Shared Space.
Die Themen der ‘Begegnungszone’ und des ‘Gemeinsamen Ortes’ weben sich durch alle Aggregatzustände, die schließlich zu dieser Ausstellung geführt haben. Im Diskurs mit den Künstler:innen gingen wir der “Philosophie der Weltbeziehung” von Èdouard Glissant nach. Glissant unterstreicht in seinem Denken der Weltbeziehung, dass sich nicht Identisches vermengt, sondern vielmehr zwischen den Verschiedenheiten unterschieden wird, um sie besser aufeinander abzustimmen. Denn „das Unterschiedliche lässt jede Ausgrenzung, jeden Rassismus wegen ihrer Eindimensionalität zu Staub zerfallen. Verbindungen in der Weltbeziehung werden zunächst über die Aufreihung der Bezüge zwischen den Differenzen hergestellt, wenn sie einander begegnen. Die fortlaufenden Wurzeln (Rhizome) der Ideen, der Identitäten und Institutionen sorgen dann für ihre Verknüpfung: In ihnen entdecken wir die Gemeinsamen Orte, und wir ahnen schon, dass auch wir sie teilen.“
In der Videoinstallation “Ä Ha Ja Na; Pleased to meet you!”, die eigens für diese Ausstellung, auf Initiative und Idee von Alfred Rottensteiner, entstanden ist, haben wir unsere Ansichten über Kunst geteilt. Ein gemeinsamer Ort, in dem durch Verschiebungen und spielerische Elemente stets neue Dialoge und Überschneidungen entstehen.
Famakan Magassa, aufgewachsen, lebt und arbeitet in Mali, Westafrika. In seinen Gemälden bewegt sich Famakan Magassa gekonnt zwischen Gesellschaftssatire und sensibler Darstellung von Lebenssituationen und zwischenmenschlichen Beziehungen. Er thematisiert Machtverhältnisse, das Streben nach persönlicher Freiheit, das Bedürfnis nach Verbundenheit, emotionale Turbulenzen und Ambivalenzen.
Die rätselhaften, wogenden Figuren, die Famakan Magassas Leinwände bevölkern, sind eine direkte Anspielung auf die Kourédougas - geheimnisvolle rituelle Tänzer. Die Kourédougas sind Mitglieder einer nicht-religiösen Gemeinschaft, die einem Verhaltenskodex und einer Philosophie folgen, in denen Weisheit, Rechtschaffenheit und Demut im Vordergrund stehen. Dies sind Werte und Ideale, die auch für Famakan Magassa eine besondere Bedeutung haben. Äußerlich sind die Kourédougas an ihrer festlichen und extravaganten Kleidung aus Hüten, Federn, Gegenständen und Schmuck zu erkennen, mit der sie ihren Sinn für Würde und Schönheit zum Ausdruck bringen. Bei Festivals tanzen sie verkleidet – Männer in Frauenkleidern, Erwachsene mit Steckenpferden und Schirmen, hüpfen und spielen sie – und brechen dabei mit Konventionen. Seit dem jüngsten, dritten Militärputsch im Mai 2021, wird Mali von einer militärischen Übergangsregierung geführt, die international stark kritisiert wird. Musik und Tanz sind offiziell verboten. Weshalb Famakan Magassa seine Werke in Mali auch nicht ausstellen kann, ohne Verfolgung zu fürchten. „Kunst ist eine menschliche Tätigkeit, die den Intellekt und die Emotionen anspricht, die zur Schaffung von Werken und ästhetischen Merkmalen geführt hat und uns so ermöglicht, Grenzen zu überwinden“, so Famakan Magassa.
Käthe Schönle studierte Freie Kunst und Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Kassel mit Abschlüssen in Malerei und Illustration. Heute lebt und arbeitet sie in Wien. Ihre Arbeiten wurden seither in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen national und international gezeigt und sind in privaten und institutionellen Sammlungen vertreten. Schönle erhielt mehrere Stipendien und Förderungen, darunter den Kunstpreis der Stadt Kassel. In Käthe Schönles Arbeiten tun sich Spannungsfelder zwischen Figuration und Abstraktion, Komposition und Spontanität auf. Mitreißende Bewegungen und Farbkontraste ziehen das Publikum in ihre Bildwelten. Sie ist eine genaue Beobachterin des sozialen Miteinanders.
Kunst bedeutet für Schönle Material zu transformieren und die inhaltlichen wie die ästhetischen und physischen Spannungsverhältnisse auszuloten. Das Interesse am Hybriden, am Mehrdeutigen und am Vielschichtigen durchzieht ihr gesamtes Œuvre. Abstraktion und Figuration ergänzen einander dort, wo die Bildstellen sich in organischen Gebilden lesen lassen und Vermutungen der Gestalt oder einer Landschaft auftauchen, um sich gleich wieder im Gesamterleben zu verflüchtigen. Schönle offeriert simultane Wahrnehmungsräume. Der Körper ist bei Schönle allgegenwärtig, nicht nur als Form, sondern auch als konzeptueller Inhalt, der die Grenzen von Innen und Außen abschreitet. (Auszug aus einem Text von Paula Watzl / Cascade Collages, Viadukt ATTP Wien 2021)
Alfred Rottensteiners Malerei lässt sich als überbordende, verdichtete malerische Spielwiese beschreiben. Diverse Techniken und Malmittel tragen hier zu einer intensiven Bearbeitung der Oberfläche bei. Es gibt zwar Trompe-l’œil Elemente und Grisaille ähnliche Ausformulierungen, jedoch reduziert er die Bildtiefe. Die Räumlichkeit wird an der Fläche der Leinwand zusammengefaltet und komprimiert, und so energetisch aufgeladen. Seine Figuren sind malerisch und stilistisch oft ein Teil der Umgebung, gehen aus dieser hervor und lösen sich – im nächsten Moment – wiederum kleinteilig darin auf. Alles fließt, ist vielschichtig uneindeutig und in der Lesweise divers.
Alfred Rottensteiner hat an der Akademie der bildenden Künste in Wien, an der HfbK in Hamburg und an der Central Saint Martins in London bildende Kuntst studiert. Zentral in seiner künstlerischen Arbeit ist die Malerei, aus der raumübergreifende Installationen, Videos und Performances entstehen. „Für mich ist Kunst etwas total Menschliches. Sie ist ein Hilfsmittel um eine Welt zu hinterfragen, die durch die Fähigkeit des abstrakten Denkens errichtet wird. Die Kunst ist für mich ein Bindeglied zwischen menschlicher Abstraktion und einer universellen Wirklichkeit. Ich begebe mich im künstlerischen Prozess aktiv in Momente des Überrascht-Werdens. Das fertige Kunstwerk kann das dann auch mit Betrachter*innen machen. „Überraschungen sind der Ausgangspunkt für Revolutionen“, so der Philosoph Christoph Menke. – „Der Alltag wird in Frage gestellt, Routinen aufgebrochen und so kann eine Offenheit für Neues kultiviert werden.“
Not only do the works of three artists intersect here, but also the various ways of reading and interpreting them. In the contact between the different artworks and their cosmos, there is room for new chains of association. Every line, every fold is a common space of possibility - a shared space.
The themes of a common place and the 'encounter zone' are woven through all the stages of aggregation that ultimately led to this exhibition. In discourse with the artists, we explored Èdouard Glissant's "Philosophy of Relations". In his thinking on world relations, Glissant emphasizes that nothing is mixed up, but rather that a distinction is made between differences in order to better coordinate them. For "the different makes every exclusion, every racism crumble to dust because of its lack of diversity. Connections in the relationship to the world are initially established by lining up the references between the differences when they encounter each other. The continuous roots (rhizomes) of ideas, identities and institutions then ensure their interconnection: in these, we discover the common places, and we already suspect that we too share them."
In the video installation "Ä Ha Ja Na; Pleased to meet you!", which was created especially for this exhibition on the initiative and idea of Alfred Rottensteiner, we have shared our views on art. A shared space in which new dialogs and overlaps are constantly created through shifts and playful elements.
Famakan Magassa grew up, lives and works in Mali, West Africa. In his paintings, Famakan Magassa skillfully moves between social satire and the sensitive depiction of life situations and interpersonal relationships. He addresses power relations, the pursuit of personal freedom, the need for connection, emotional turbulence and ambivalence.
The enigmatic, undulating figures that populate Famakan Magassa's canvases are a direct allusion to the Kourédougas - mysterious ritual dancers. The Kourédougas are members of a non-religious community who follow a code of conduct and a philosophy that emphasizes wisdom, righteousness and humility. These are values and ideals that also have a special meaning for Famakan Magassa. Outwardly, the Kourédougas can be recognized by their festive and extravagant clothing made of hats, feathers, objects and jewelry, with which they express their sense of dignity and beauty. At festivals, they dance in disguise - men in women's dresses, adults with hobbyhorses and umbrellas, jumping and playing - breaking with convention. Since the most recent, third military coup in May 2021, Mali has been led by a military transitional government that has been heavily criticized internationally. Music and dance are officially banned. Which is why Famakan Magassa cannot exhibit his works in Mali without fear of persecution. "Art is a human activity that appeals to the intellect and emotions, which has led to the creation of works and aesthetic features and thus enables us to overcome borders," says Famakan Magassa.
Käthe Schönle studied Fine Arts and Visual Communication at the Kunsthochschule Kassel, graduating in painting and illustration. Today she lives and works in Vienna. Her work has since been shown in numerous solo and group exhibitions both nationally and internationally and is represented in private and institutional collections. Schönle has received several scholarships and grants, including the Art Prize of the City of Kassel. In Käthe Schönle's works, fields of tension open up between figuration and abstraction, composition and spontaneity. Captivating movements and color contrasts draw the audience into her pictorial worlds. She is a precise observer of social interaction.
For Schönle, art means transforming material and exploring the tensions between content, aesthetics and physicality. Her interest in the hybrid, the ambiguous and the multi-layered runs through her entire oeuvre. Abstraction and figuration complement each other where the pictorial passages can be read in organic formations and presumptions of a figure or a landscape emerge, only to immediately evaporate again in the overall experience. Schönle offers simultaneous spaces of perception. The body is omnipresent in Schönle's work, not only as a form, but also as conceptual content that crosses the boundaries between inside and outside. (Excerpt from a text by Paula Watzl / Cascade Collages, Viadukt ATTP Vienna 2021)
Alfred Rottensteiner's painting can be described as an exuberant, condensed painterly playground. Various techniques and painting media contribute to an intensive treatment of the surface. Although there are trompe-l'œil elements and grisaille-like formulations, he reduces the depth of the picture. The spatiality is folded up and compressed on the surface of the canvas and thus energetically charged. In terms of painting and style, his figures are often part of their surroundings, emerging from them and dissolving into them in the next moment. Everything flows, is multi-layered, ambiguous and diverse in the way it is read.
Alfred Rottensteiner studied fine arts at the Academy of Fine Arts in Vienna, at the HfbK in Hamburg and at Central Saint Martins in London. Painting is central to his artistic work, from which cross-space installations, videos and performances are created. "For me, art is something totally human. It is a tool for questioning a world that is constructed through the ability to think abstractly. For me, art is a link between human abstraction and a universal reality. In the artistic process, I actively engage in moments of surprise. The finished artwork can then also do this with viewers. "Surprises are the starting point for revolutions," says philosopher Christoph Menke. - "Everyday life is called into question, routines are broken up and an openness to new things can be cultivated."
L‘art est une zone de rencontre.
Que la machine à coudre et
le parapluie se rencontrent sur
la table de dissection, que les
Nanas s‘ébattent dans le jardin
toscan ou qu‘un tableau soit
regardé par une seule personne.
Dans cette exposition, les
oeuvres de trois artistes se rencontrent,
ainsi que les diverses
manières de les lire et de les
interpréter qui en découlent.
Le contact entre les différentes
oeuvres d‘art et leurs univers
laisse place à de nouvelles chaînes
d‘associations. Dans cette
structure, chaque ligne, chaque
pli est un espace commun de
possibilités - un Shared Space.